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Tiere und andere Menschen | Tag 1

Victoria Strobl und Irene Zanol berichten täglich von den Europäischen Literaturtagen.
auf buchfühlung (Victoria Strobl & Irene Zanol)

Es ist der erste Tag der Europäischen Literaturtage in Krems und wie gewohnt ist es Walter Grond, der künstlerische Leiter der europäischen Literaturtage, der alle Anwesenden begrüßt und das diesjährige Thema “Tiere und andere Menschen” vorstellt.

Karl Wilfling, Präsident des niederösterreichischen Landtags, betont in seinen Grußworten die Wichtigkeit der Europäischen Literaturtage und hebt vor allem die Arbeit von Eljub (Europäische Jugendbegegnung) und die Einbindung von Jugendlichen in das Festival hervor. 

Dass Menschen Tiere sind, sei längst wissenschaftlich erwiesen. Neuere Erkenntnisse legen sogar nahe, dass Eigenschaften, die man lange nur Menschen zugesprochen habe, Moral etwa, Vernunft, Selbstbeobachtung und Empathie, durchaus Tieren zu eigen seien, so Walter Grond. Die Frage nach der Würde der Tiere und nach eigenen Tierrechten, die Tierethiker*innen seit den 70er Jahren befasst, ist in der breiten Gesellschaft angelangt. 

In den nächsten Tagen werden wir uns diesen Fragen in Gesprächen, Dialogen, Bücher-Talks und Lesungen aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. 

19:30 Uhr: Ein Hund, ist ein Hund, ist ein Hund?

oder warum die Idee, dass es nur eine Vernunft gibt, vielleicht nicht stimmt.

Auf der Bühne nimmt neben dem Autor Michael Köhlmeier, der Philosophin Anne Sophie Meincke und Katja Gasser, Moderatorin des heutigen Abends, auch der Hund Nildo Platz, der im Verlauf einer hitzig geführten Debatte zum Vermittler wurde. 

Köhlmeier schrieb in seinem 2021 erschienen Roman “Matou” ganz in der Tradition von E.T.A. Hoffmann aus der Perspektive eines sprachbegabten Katers. Die programmatische Gleichsetzung von Mensch und Tier, die er in seinem Roman vornimmt, sei ausschließlich in der Literatur möglich, unterstreicht er und widerspricht von Beginn an den Thesen Anne Sophie Meinckes, die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit “Bio Agency and natural freedom” nachzuweisen versucht, dass Tiere handlungsfähig seien, zwischen Möglichkeiten wählen könnten und also eine rudimentäre Form des Willens besitzen. 

Auf die Frage von Katja Gasser, ob man die kategorialen Unterscheidungen zwischen Mensch und Tier aufheben soll, antwortet Meincke: “Was sollte das für eine Differenz sein können, die uns von allen anderen Spezies unterscheidet? Gibt es nur die eine Vernunft, die WIR kennen? Sind wir denn eigentlich immer vernünftig? Wir sollten lernen, die menschlichen Maßstäbe zu hinterfragen.” Schon an diesen Einstiegs-Statements wird die gegensätzlichen Positionen auf der Bühne deutlich. In dem Meincke Begriffe wie Vernunft und Intelligenz, die von Menschen definiert wurden, auf Tiere überträgt, betreibe sie Gattungs-Kolonialismus. Wichtiger als die Gemeinsamkeiten zwischen Tier und Mensch zu betonen, sei die Frage nach den Unterschieden, so Michael Köhlmeier.

Es entspinnt sich eine Debatte um die Anthropomorphisierung und darüber, was die Einsicht denn überhaupt bewirken könne. Für Meincke kann sie einen möglichen Weg aus der ökologischen Krise unserer Zeit aufzeigen, denn die Erkenntnis, dass wir auch Tiere seien, ändere unser Verhältnis zur Natur. Wir alle sind Teil des Ökosystem und heben uns nicht davon ab. Ihre Schlussfolgerung: Das Verhältnis von Mensch und Natur müsse neu gedacht werden, Tiere könnten dabei eine Brücke sein. Wie das möglich sein kann, zeigt Nildo, als er sich während des  hitzig geführten Gesprächs Streicheleinheiten bei Michael Köhlmeier holt. 

Die grundlegenden gegensätzlichen Position führten zu einem interessanten Gedankenaustausch, der sich nicht ohne weiteres unterbrechen lassen wollte, wie Katja Gasser schmunzelnd feststellen musste: “Man muss hier aufzeigen als Moderatorin.” 

Für Gesprächsstoff in den folgenden Tagen ist durch diesen fulminanten Auftakt gesorgt. 

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